Was ist Arbeitnehmerüblassung?
Arbeitnehmerüberlassung (ANÜ), auch bekannt als Zeitarbeit oder Personalverleih, ist ein Modell, bei dem Unternehmen Mitarbeiter von anderen Unternehmen, beispielsweise Personaldienstleister (PDL), für einen bestimmten Zeitraum mieten. Während dieses Zeitraums arbeiten die Arbeitnehmer in der Regel in den Räumlichkeiten des Kundenunternehmens und unterstützen dieses bei verschiedenen Projekten oder Aufgaben. Nach Ablauf des vereinbarten Zeitraums können die Arbeitnehmer vom entleihenden Unternehmen übernommen werden, an ihr verleihendes Unternehmen zurückgegeben oder durch andere Leiharbeiternehmer ersetzt werden.
Seit wann ist Arbeitnehmerüberlassung gesetzlich geregelt?
Obwohl von einigen Freelancern eine Arbeitnehmerüberlassung als ein Phänomen der letzten Jahre angesehen wird, gibt es gesetzliche Regelungen hierzu bereits seit 1972, also seit mehr als 50 Jahren.
Am 7. August 1972 wurde die Leiharbeit in der Bundesrepublik Deutschland erstmals durch das „Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung“ (AÜG) gesetzlichen Beschränkungen unterworfen. Danach war ein Leiharbeitnehmer definiert als „Arbeitnehmer, der zu einem Verleiher in einem Arbeitsverhältnis steht und Dritten (Entleihern) gewerbsmäßig zur Arbeitsleistung überlassen wird„.
Was sind die gesetzlichen Kriterien für eine Arbeitnehmerüberlassung?
Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) definiert die Kriterien der Arbeitnehmerüberlassung:
Arbeitgeber, die als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zur Arbeitsleistung überlassen (Arbeitnehmerüberlassung) wollen, bedürfen der Erlaubnis. Arbeitnehmer werden zur Arbeitsleistung überlassen, wenn sie in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert sind und seinen Weisungen unterliegen. Die Überlassung und das Tätigwerdenlassen von Arbeitnehmern als Leiharbeitnehmer ist nur zulässig, soweit zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis besteht. Die Überlassung von Arbeitnehmern ist vorübergehend bis zu einer Überlassungshöchstdauer nach Absatz 1b zulässig. Verleiher und Entleiher haben die Überlassung von Leiharbeitnehmern in ihrem Vertrag ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung zu bezeichnen, bevor sie den Leiharbeitnehmer überlassen oder tätig werden lassen. Vor der Überlassung haben sie die Person des Leiharbeitnehmers unter Bezugnahme auf diesen Vertrag zu konkretisieren.
§ 1 Abs. 1 AÜG
Welche Synonyme werden für Arbeitnehmerüberlassung genutzt?
- Zeitarbeit
- Arbeitnehmerüberlassung
- Leiharbeit
- Personalvermittlung
- Zeitarbeitskraft
- Projektarbeit
- Temporärarbeit
- Freelance-Anstellung
- Interimsarbeit
- Temporärkraft
- Mitarbeiterverleih
- Temporärbeschäftigung
- Flexibler Personaleinsatz
- Personaldienstleistung
- Projektbasierter Mitarbeiter
- Mitarbeiterleasing
- Projektbedingte Anstellung
- Arbeitskräftevermittlung
- Arbeit auf Zeit
- Arbeit auf Abruf
- Fremdpersonaleinsatz
- Zeitweilige Anstellung
- Personalüberlassung
- Interimsbeschäftigung
- Fremdpersonalvermittlung
- Projektbezogene Festanstellung
- Schweizer Projektmodell
- temporäre Festanstellung
- Body Leasing
- Arbeitnehmerleasing
- Client Secondment
- Outsourcing von Arbeitskräften
- Mitarbeitertüberlassung
- Ressourcenleasing
- Projektpersonaldienstleistung
Die Mehrheit der Begriffe zeigen, dass ein Arbeitsverhältnis auf Zeit (latein: tempus) geschlossen wird oder das Personal verliehen (englisch: lease) wird. Daher ist im Kontext einer Arbeitnehmerüberlassung oft von Zeitarbeit oder einem Personalverleih die Rede.
Folgende 10 kreative Begriffe lieferte uns ChatGPT, die die Idee der Arbeitnehmerüberlassung auf unterschiedliche Weise umschreiben:
- Mitarbeiter-Sharing – betont den Austausch spezifischer Fähigkeiten
- Talentverleih – betont den wertvollen Beitrag der Arbeitskäfte
- Expertenentleihung – Betonung auf die Spezialisierung der Kräfte
- Personal-as-a-Service – moderner Begriff angelehnt an IT-Dienstleistungsmodelle
- Ressourcen-Partnerschaft – Hervorhebung der optimalen Ressourcennutzung
- Fachkräfteallianz – suggeriert eine partnerschaftliche Zusammenarbeit
- Skill-Ausleihe – Fokus auf das spezielle Know-how der ausgeliehenen Arbeitskraft
- Flex-Arbeitskraft – beschreibt Arbeitskräfte, die flexibel einsetzbar sind
- Projektkraft-Matching – passgenaue Vermittlung von Projektarbeitskräften
- Projektengagement – klingt nach gezieltem und zeitlich begrenztem Einsatz
Ist "Unternehmensberatung" eine vom Deutschen Bundestag gebilligte Hintertür für Dienst-/Werkverträge statt einer Arbeitnehmerüberlassung?
In der vom Deutschen Bundestag verfassten Drucksache 18/10064 auf Seite 14, veröffentlicht am 19.10.2016 ist folgende Formulierung zu finden:
Ferner wurde festgestellte, dass mit der Definition der Arbeitnehmerüberlassung in § 1 Absatz 1 Satz 2 AÜG diederzeitige Rechtslage nicht geändert werden solle, etwa bei der Beauftragung von Beratungsunternehmen. Das Gesetz ziele nicht darauf ab, die unternehmerische Tätigkeit beispielsweise von Beratungsunternehmen einzuschränken. Die Neuregelung solle dem sachgerechten Einsatz von Werk- und Dienstverträgen in den zeitgemäßen Formen des kreativen oder komplexen Projektgeschäfts nicht entgegenstehen, wie sie zum Beispiel in der Unternehmensberatungs- oder IT-Branche in Optimierungs-, Entwicklungs- und IT-Einführungsprojekten anzutreffen seien. Auch für solche Einsätze und für die Tätigkeit von Beratern sollen die allgemeinen Grundsätze zur Abgrenzung zwischen Dienst- und Werkleistungen auf der einen und Arbeitnehmerüberlassung auf der anderen Seite weiterhin zur Anwendung kommen. Dabei solle zum Beispiel eine für die Tätigkeit eines Beraters typische Bindung hinsichtlich des Arbeitsorts an eine Tätigkeit im Betrieb des beratenen Unternehmens allein regelmäßig keine persönliche Abhängigkeit gegenüber letzterem begründen (vgl. Bundesarbeitsgericht, 11.08.2015 - 9 AZR 98/14). Vielmehr solle nach dem Verständnis der Ausschussmehrheit entsprechend der bisherigen Praxis eine wertende Gesamtbetrachtung vorgenommen werden, ob unter Berücksichtigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls eine Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers erfolge. Dies habe man auch in der Gesetzesbegründung ausdrücklich aufgegriffen.
Deutscher Bundestag, Drucksache 18/10064, Seite 14
Die vom „Bundesverband Deutscher Unternehmensberater BDU e.V.“ veröffentlichte Pressemeldung mit der Überschrift „Bundestag stellt klar: Unternehmensberatung ist keine Zeitarbeit“ ist mit Vorsicht zu genießen.
Entscheidend für die Beurteilung einer Arbeitnehmerüberlassung sind nicht die Begriffe „Unternehmensberatung„, „Unternehmensberater“ oder die Kurzform „Berater“ bzw. „Consultant“ sondern, ob ein Berater in den Betrieb des Auftraggebers eingegliedert ist, d.h. ob das Fremdpersonal arbeitsrechtliche Weisungen erhält oder Arbeitsabläufe zu befolgen hat.
Ob die Weisungen mündliche erfolgen, oder in Textform niedergeschrieben und dann zu befolgen sind, ist unbedeutend, denn am Ende müssen in beiden Fällen Weisungen befolgt werden.
Unproblematisch sind agile Prozesse, die der Vergabe von Arbeitspaketen dienen, wie Scrum oder Kanban (vgl. LSG BW, Urteil vom 17.12.2021, Az. L8 BA 1374/20). Bei der Zuteilung von Arbeitspaketen ist bei Scrum das Pull-Prinzip zu beachten. Der Auftraggeber hat auch das Recht, den Rahmen durch Normen (z.B. DIN, EN, ISO) vorzugeben oder die gewünschten Ergebnisse, das „Was„, zu definieren. Problematisch sind hingegen Vorgaben zur Vorgehensweise, dem „Wie“ (vgl. BAG, Urteil vom 05.07.2022, Az. 9 AZR 323/21, Rn. 19). Gänzlich deuten Tätigkeiten im Tagesgeschäft auf die Befolgung von fremden Arbeitsprozessen hin.
Auf Anfrage des VGSD teilte die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund) mit, dass sie selbst in ihren agilen Projekten intensiv mit externen Mitarbeitern in gemischten Teams zusammenarbeitet. Dabei kommt das „Agile Cooperation Model“ zum Einsatz. Bei der DRV Bund nutzt das Fremdpersonal zudem Kollaborationstools wie das Ticketsystem Jira oder das Wiki Confluence.
Vermittlung im Kontext von Freelancing
Freelancer schließen überwiegend Verträge mit Personaldienstleistern ab, die, wie der Name schon vermuten lässt, keine Projekte vermitteln, sondern Personal, nämlich den Freelancer.
Der Freelancer muss seine Leistungen überwiegend höchstpersönlich erbringen und benötigt in der Regel eine Genehmigung, wenn Dritte hinzugezogen werden sollen. Es handelt sich meist nicht um die Erstellung eines Gewerks sondern um einen flexiblen Fremdpersonaleinsatz (Dienstleistung auf Abruf).
Die EVB-IT Dienstleistungs-AGB, die für öffentliche Auftraggeber gelten, sehen diesen flexiblen Fremdpersonaleinsatz ausdrücklich als Dienstleistungsmodell (keine ANÜ) vor.
Auffällige Rezension zu einem Personalvermittler in Berlin
Bei unseren Recherchen ist uns die folgende Rezension zu einem internationalen Personalberatungskonzern in Berlin besonders aufgefallen:
Die Firma lockt Menschen in Scheinselbstständigkeit und Schwarzarbeit. Vermutlich unbewusst, weil sie nach Rechtsauffassungen agieren, die seit mindestens 2017 nicht mehr gelten. Die Rechtsprechung über die Sozialversicherungspflicht hat sich in den letzten Jahren massiv verändert. Dies wurde entweder verschlafen oder nicht beachtet. Aktuell bewirbt man eine höchst illegale Praxis."
Google Rezension von Benutzer "J"
Wir regen an, von einer Pauschalierung abzusehen. Wie bereits geschrieben, ist bei einem Auftragsverhältnis immer zu prüfen, ob der Freelancer in den Betrieb des Auftraggebers eingegliedert und weisungsgebunden ist.
Fazit
Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund) hat uns auf Anfrage mitgeteilt, dass zur Beurteilung des Status eines Auftrags stets eine Gesamtschau aller Merkmale erforderlich ist. Dabei werden die Merkmale einer selbständigen Tätigkeit und einer abhängigen Beschäftigung einander gegenübergestellt. Dabei handelt es sich um zwei Listen mit Stichpunkten, die auch als Merkmale oder Kriterien bezeichnet werden.
Zudem erfolgt die Beurteilung immer auftragsbezogen. Eine generelle Feststellung der Selbständigkeit für alle Aufträge ist gesetzlich nicht vorgesehen.
Wir regen auch an die Beiträge zu den Vorgängen bei der DRV Bund zu lesen.