Unterrichten als Unternehmer: So geht Selbständigkeit

Gruppe junger Erwachsener wird gelehrt
Junge Talente beim interaktiven Lernen: © Getty Images
Wer als freiberuflicher Dozent tätig ist, vereint pädagogisches Können mit unternehmerischer Eigenständigkeit. Institutionen wie Sprachschulen, Volkshochschulen oder private Weiterbildungsträger greifen oft auf externe Lehrkräfte zurück, die Kurse eigenverantwortlich gestalten. Doch wodurch unterscheidet sich ein selbständiger Dozent von einem festangestellten Lehrer, und welche Kriterien führen zu dieser Einordnung? Ein Blick auf die Rahmenbedingungen zeigt, wie sich Freiraum, Unternehmerrisiko und flexible Verträge verbinden und ein eigenständiges Berufsprofil ergeben.

Grundzüge des Unterrichts: Fachliche Freiheit statt starrer Lehrpläne

Im Zentrum steht stets das vereinbarte Fachgebiet – sei es Mathematik, Englisch oder ein kaufmännisches Thema. Bei einem freien Dozenten wird der Inhalt zwar grob definiert, doch methodische und didaktische Details liegen fast vollständig in seiner Hand. Auch wenn ein staatlicher Lehrplan oder eine Prüfungsordnung gewisse Mindestinhalte vorgibt, bleibt die konkrete Umsetzung dem Dozenten überlassen. Dieses Fehlen engmaschiger Richtlinien – etwa Vorgaben zu Unterrichtsmaterialien oder konkreten Abläufen – spricht deutlich für eine selbständige Lehrtätigkeit. Zugleich erlauben nur allgemeine Rahmenvorschriften (zum Beispiel das gewünschte Sprachniveau) den Einsatz individueller Konzepte. Hier zeigt sich eine Autonomie, die typisch ist für Selbständige: Wer frei über Methoden und Zeitstruktur entscheidet, ist weniger in ein streng hierarchisches Gefüge eingebunden.

Befristete Lehraufträge und flexible Terminplanung

Die Zusammenarbeit mit freien Lehrkräften erfolgt häufig zeitlich befristet – beispielsweise auf ein Semester oder für einen kurzen Kurs. In diesem Zeitraum besteht eine lockere Absprache über die Unterrichtseinheiten. Anders als in einem Anstellungsverhältnis, wo es fixe Dienstpläne gibt, sind die Kurszeiten meist Gegenstand einvernehmlicher Absprachen: Fällt ein Dozent aus, muss kein automatischer Ersatz gefunden werden. Der freie Lehrende kann Kurstermine mit dem Auftraggeber abstimmen oder verlegen. Zwar allein die Befristung sagt wenig über den Status aus; erst in Verbindung mit anderen Faktoren wie dem eigenverantwortlichen Stundenplan und der selbständigen Organisation des Unterrichts lässt sich das Gesamtbild einer nicht-abhängigen Beschäftigung erkennen.

Keine einseitigen Weisungen zu Inhalten oder Didaktik

Auch wenn Auftraggeber oder Schulen den Kursrahmen vorgeben, können wesentliche Veränderungen am Konzept nicht einfach diktiert werden. In der Regel werden größere Änderungen im Einvernehmen mit dem Dozenten abgestimmt. Das Fehlen eines einseitigen Weisungsrechts markiert einen wichtigen Unterschied zu angestellten Lehrkräften: Selbst bei nötigen Anpassungen inhaltlicher Art – beispielsweise neuen Anforderungen durch den Bildungsträger – wird auf Kooperation statt Befehl gesetzt. Wer als Dozent selbst entscheidet, welche Lehrmaterialien, Methoden oder Medien zum Einsatz kommen, lebt damit die Freiheit eines Freiberuflers, dessen Kreativität nicht durch starre Vorgaben eingeschränkt ist.

Vertretungen, Ausfallhonorare und unternehmerisches Risiko

Das Thema Vertretung verdeutlicht ebenfalls die Eigenständigkeit freier Dozenten. Anders als bei angestellten Lehrkräften existiert kein festes Vertretungssystem, das automatisch greift, wenn jemand krankheitsbedingt ausfällt. Auch Entgeltfortzahlung gibt es nicht: Wer keine Stunden hält, erhält in der Regel kein Honorar. Ausfallhonorare sind selten, weshalb Dozenten ihr Ausfallrisiko selbst tragen. Zwar kann es sein, dass manche ausgefallenen Stunden später nachgeholt werden, doch ein durchgängiger Anspruch darauf besteht nicht. Dieser finanzielle Unsicherheitsfaktor ist ein zentrales Merkmal unternehmerischer Tätigkeit: Wer nur bei Leistung entlohnt wird, weist ein deutliches Profil der Selbständigkeit auf.

Dokumentation und Kontrolle – nur das Nötigste

In einem Angestelltenverhältnis sind engmaschige Kontrollen über Inhalte und Arbeitszeiten keine Seltenheit. Zwar werden Anwesenheitslisten geführt und grundlegende Nachweise verlangt, aber es gibt selten eine detaillierte Abnahme aller Unterrichtsschritte. Über den Erfolg des Kurses wacht der Dozent selbst, indem er Tests oder Übungen konzipiert und bewertet. Eine tägliche Überwachung durch den Auftraggeber entfällt. Dieses Fehlen einer streng geregelten Kontrolle macht deutlich, dass Dozenten hier eher als Partner fungieren: Sie bieten ihre Leistung an und sorgen eigenständig dafür, dass Qualitätsstandards gewahrt bleiben.

Zeiteinteilung und Arbeitskraft: Selbstbestimmt statt eingegliedert

Die Unterrichtszeiten werden zumeist nicht starr zugewiesen, sondern gemeinsam vereinbart. Vor Kursbeginn stimmen beide Seiten grobe Rahmen ab, beispielsweise an welchen Wochentagen unterrichtet wird. Sollten sich Termine überschneiden oder die Kapazität des Dozenten erschöpfen, kann dieser Kurse ablehnen. Das unterscheidet ihn von festangestellten Lehrern, die in einen Dienstplan eingebunden sind und Anweisungen befolgen müssen. Die Möglichkeit, die eigene Verfügbarkeit zu steuern, ist ein weiteres klares Signal für Selbständigkeit. Ebenso setzt der freie Dozent eigene Prioritäten: Er ist nicht verpflichtet, an Konferenzen oder Teamsitzungen teilzunehmen, sondern tut dies – falls überhaupt – aus eigenem Interesse.

Vergütung und Honorarverhandlungen: Hinweise auf Selbständigkeit

Ein wesentlicher Faktor für die Einordnung als Selbständiger ist die Art der Vergütung. Statt eines festen Gehalts pro Monat erhält der Dozent häufig Honorare, die sich nach Kurstagen oder Teilnehmerzahlen richten – etwa eine Pauschale pro Veranstaltung oder pro Teilnehmenden. Fällt eine Einheit aus, fehlt das Einkommen; steigt jedoch die Nachfrage, kann dies höhere Einnahmen bringen. Genau diese Chancen und Risiken deuten auf eine unternehmerische Tätigkeit hin, denn der Dozent ist nicht finanziell abgesichert wie ein Angestellter. Darüber hinaus lässt sich die Honorarhöhe oft individuell verhandeln. Wer hierbei eigene Vorstellungen einbringt und diese gegenüber dem Auftraggeber durchsetzt, demonstriert zugleich, dass beide Parteien auf Augenhöhe handeln – ein typisches Merkmal freier Verträge anstelle abhängiger Beschäftigung.

Staatliche Vorgaben und Prüfungen als grober Rahmen

Manche Dozenten bieten Kurse mit staatlichen Prüfungen an, die bestimmte Lerninhalte erfordern. Dennoch bleibt das „Wie“ in der Regel frei. Die staatlichen Standards geben vor, welche Themen behandelt werden müssen, aber nicht detailliert, wie sie vermittelt werden. Ob Tests regelmäßig angekündigt oder flexibel zwischendurch durchgeführt werden, entscheidet meist der Dozent. Sogar die konkrete Bewertungsmethode liegt oft in seinen Händen, solange er sich an rechtliche oder schulrechtliche Mindeststandards hält. Hier besteht somit keine starre Eingliederung, sondern eher eine Orientierung am allgemein vorgegebenen Ziel.

Zusammenarbeit mit Festangestellten, aber ohne Hierarchie

Wer als freier Dozent in einer größeren Bildungseinrichtung tätig ist, trifft häufig auf festangestellte Lehrkräfte. Die Frage nach der Weisungsbefugnis ist für die Statusfeststellung entscheidend: In der Praxis ist es üblich, dass angestellte Kollegen keine Anordnungen geben dürfen, die der Dozent befolgen muss. Vielmehr agieren beide Seiten kooperativ, tauschen sich aus und koordinieren ggf. Abläufe, ohne dass eine Rangordnung entsteht. Die Rolle eines Fachbereichsleiters beschränkt sich bei freien Dozenten meist auf organisatorische Aspekte oder Abstimmungen zum Stundenplan. Solange keine echten Dienstanweisungen existieren und der Dozent seine Methoden frei bestimmen kann, überwiegen die Indizien für Selbständigkeit.

Räume und Material – Branchenübliche Unterstützung

In vielen Bildungsinstitutionen stehen Unterrichtsräume und Grundmaterialien bereit. Der freie Dozent nutzt diese meist, ohne dass dies gegen seine Selbständigkeit spricht. Gerade im Bildungssektor gilt es als Standard, dass Räume gestellt werden und Lehrmaterialien – sofern erforderlich – im Austausch angeboten werden. Entscheidend ist, ob die Lehrkraft verpflichtet ist, exakt vorgegebene Materialien zu verwenden oder ob sie Alternativen nutzen kann. In der Regel besteht die Möglichkeit, eigenes Material oder bewährte Konzepte zu verwenden. Dadurch bleibt der Dozent kreativ und gibt nicht seine unternehmerische Freiheit auf, bloß weil er die Infrastruktur des Auftraggebers nutzt.

Übergangsregelung für Lehrtätigkeiten bis Ende 2026

Am 1. März 2025 tritt mit § 127 SGB IV eine befristete Übergangsregelung in Kraft, die selbstständigen Lehrkräften und Bildungseinrichtungen mehr Planungssicherheit verschafft. Bis zum 31. Dezember 2026 bleibt damit eine rückwirkende Einstufung als abhängige Beschäftigung ausgesetzt. Vorausgesetzt wird, dass bei Vertragsabschluss zwischen Bildungsträger und Lehrkraft eine übereinstimmende Annahme von Selbständigkeit vorlag und die Lehrkraft dieser Regelung ausdrücklich zustimmt. Damit gewinnen insbesondere Schulen und Weiterbildungsinstitute Zeit, ihre Organisationsstrukturen an die veränderten Beurteilungskriterien der Sozialversicherungsträger anzupassen.

Hintergrund ist ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 28. Juni 2022 („Herrenberg-Urteil“), bei dem eine Musikschullehrerin rückwirkend als abhängig beschäftigt eingestuft wurde. In der Folge änderten die Sozialversicherungsträger ihre Maßstäbe zum 1. Juli 2023, was für erhebliches Unbehagen in der Bildungsbranche sorgte. Mit Blick auf die selbstständige Tätigkeit vieler Dozenten, deren unternehmerisches Risiko und flexible Vertragsgestaltung zentrale Indizien für Freiberuflichkeit darstellen, sahen sich Auftraggeber und Lehrkräfte plötzlich mit Rechtsunsicherheit konfrontiert.

Die nun geschaffene Übergangsregelung erlaubt es, in bestehenden oder neuen Honorarvereinbarungen bis zum Auslaufen der Frist Ende 2026 weiterhin selbstständig zusammenzuarbeiten. Allerdings sollten Dozenten bedenken, dass ihre Rentenversicherungspflicht davon unberührt bleibt: Gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI tragen sie ihre Beiträge selbst. Wer fällige Beiträge nicht entrichtet, begeht nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 SchwarzArbG Schwarzarbeit. Trotz der Erleichterungen besteht also weiterhin Handlungsbedarf, um persönliche Vorsorgeaufwendungen sicherzustellen. Insgesamt sorgt diese Maßnahme jedoch für eine Atempause in der Bildungslandschaft. Bildungsträger können den Einsatz freier Lehrkräfte fortsetzen, während beide Seiten die künftige Anpassung an die neuen Vorgaben sorgfältig planen.

Fazit: Deutliche Signale für eine freie, selbständige Tätigkeit

Die Kennzeichen einer selbständigen Dozententätigkeit ergeben sich aus vielen Details, die zusammen ein stimmiges Bild liefern. Ein solches Bild zeigt sich vor allem in:

  1. Methodischer Unabhängigkeit: Die Lehrkraft entscheidet, wie sie den Stoff vermittelt, welche Materialien zum Einsatz kommen und wie Tests organisiert werden.
  2. Eigenem Risiko: Eine Entgeltfortzahlung bei Krankheit fehlt; es werden meist nur die tatsächlich gehaltenen Stunden bezahlt.
  3. Freier Zeitgestaltung: Innerhalb des vereinbarten Rahmens entscheidet der Dozent über seine Verfügbarkeit, plant Kurse flexibel und kann Aufträge ablehnen.
  4. Fehlen betrieblicher Strukturen: Kein automatisches Vertretungssystem, keine bindenden Dienstpläne, keine umfassenden Weisungsbefugnisse seitens des Auftraggebers.
  5. Leistungsgerechte Vergütung: Honorare richten sich oft nach Kurs- oder Teilnehmerzahl, und der Dozent verhandelt selbst über die Konditionen.

Obwohl es in der Praxis immer Fälle gibt, in denen sich Freiräume mit festen Vorgaben mischen, überwiegen in diesem Profil klar die selbständigen Elemente. Der Dozent agiert als Unternehmer, verknüpft pädagogisches Know-how mit freiem Gestaltungsraum und trägt zugleich das volle wirtschaftliche Risiko. Er ist weder eng in den Betriebsablauf integriert noch genießt er die Sicherheiten eines festangestellten Lehrers. Damit entspricht sein Status den Kriterien, die in der Regel für eine freiberufliche und selbständige Dozententätigkeit sprechen.

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