Statusfeststellung und IT-Verträge: Die entscheidenden Punkte der EVB-IT Dienstleistungs-AGB

Eine Person unterschreibt ein Dokument auf einem Schreibtisch, mit einem Stift in der Hand und einer Hand auf dem Tisch abgestützt.
Unterschrift eines Vertrags: © iStock / Ridvan Celik
In der digitalen Arbeitswelt verschwimmen zunehmend die Grenzen zwischen selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung. Besonders im Bereich der IT-Dienstleistungen kann eine ungenaue Vertragsgestaltung schnell zu rechtlichen Problemen führen, etwa bei der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung oder dem Vorwurf der Scheinselbstständigkeit. Die EVB-IT Dienstleistungs-AGB, ein etabliertes Regelwerk im IT-Sektor, bieten auf den ersten Blick klare Vorgaben. Doch was passiert, wenn der Vertrag auf dem Prüfstand der Praxis steht? Dieser Beitrag beleuchtet die entscheidenden Regelungen der AGB und zeigt auf, wo genau Stolpersteine lauern – und wie Unternehmen und Auftragnehmer sich rechtlich absichern können.

Ein Überblick über die zentralen Regelungen

Die EVB-IT Dienstleistungs-AGB stellen einen etablierten Rahmen für Dienstleistungs­verträge im IT-Bereich bei öffentlichen Auftraggebern dar. Sie sind öffentlich zugänglich und können über die Webseite des Bundesministeriums des Inneren (BMI) abgerufen werden.

In einer Arbeitswelt, in der die Trennlinie zwischen selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung immer häufiger verschwimmt, rückt die rechtliche Absicherung der Vertragsparteien verstärkt in den Fokus. Insbesondere die Vermeidung verdeckter Arbeitnehmer­überlassung oder der Status einer Schein­selbständigkeit erfordert eine sorgfältige Ausgestaltung und Umsetzung der vertraglichen Regelungen.

Entscheidend für die rechtliche Einordnung eines Vertragsverhältnisses ist die Würdigung sämtlicher Merkmale und Umstände im Sinne einer Gesamtschau. Einzelne Vertragsmerkmale allein bieten keine ausreichende Grundlage, um eine Tätigkeit eindeutig als selbständig oder abhängig zu qualifizieren. Das Problem der Gesamt­schau: Sie ist subjektiv, und mit Tools wie ChatGPT lässt sie sich in Sekundenschnelle mit nur einem Prompt komplett verändern – durch Hinzufügen oder Weglassen von Merkmalen wird aus einer abhängigen Beschäftigung eine selbständige Tätigkeit oder umgekehrt. Insbesondere vertragliche Pauschalisierungen erweisen sich in der Praxis häufig als unzureichend, da letztlich die tatsächliche Ausgestaltung der Zusammenarbeit maßgeblich ist.

Dieser Grundsatz erfordert von Unternehmen und Auftragnehmern eine besondere Sensibilität bei der Umsetzung von Verträgen und betont die Notwendigkeit einer klaren Trennung von Weisungsbefugnis, Eingliederung und wirtschaftlicher Abhängigkeit.

Wir betrachten die aus unserer Sicht relevantesten Textpassagen hinsichtlich eines freien Dienstverhäntnisses in den EVB-IT Dienstleistungs-AGB, Version 2.1 vom 01. April 2018.

Soweit uns Merkmale aus Statusbescheiden der DRV Bund bekannt sind, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen, haben wir diese abschnittsweise aufgeführt – einige davon erscheinen uns völlig absurd. Dieser Beitrag wird bei Bekanntwerden weiterer Merkmale fortlaufend aktualisiert. Trotz ausführlicher Recherchen kann kein Anspruch auf Vollständigkeit oder Richtigkeit der Merkmalszuordnung erhoben werden.

1 Leistung auf Abruf – Flexibilität ohne Abrufpflicht

Die Regelung zur Leistung auf Abruf erscheint auf den ersten Blick klar und flexibel. Das Fehlen einer Mindest­abnahme­verpflichtung und die sofortige Verfügbarkeit nach Abruf können jedoch Indizien für eine verdeckte Arbeitnehmer­überlassung sein, wenn der Auftraggeber faktisch ein Direktionsrecht über den Dienstleister ausübt. Die fehlende Planungs­sicherheit für den Auftragnehmer könnte ihn in eine wirtschaftliche Abhängigkeit treiben, was im Zusammenspiel mit anderen Faktoren die rechtliche Selbständigkeit infrage stellen könnte.

Werden die Leistungen auf Abruf des Auftraggebers geschuldet und ist keine Mindestabnahme vereinbart, besteht kein Anspruch auf Abruf. Soweit kein Mindestvorlauf vereinbart ist, hat der Auftragnehmer unverzüglich nach Abruf mit der Leistung zu beginnen.

2 Ausschluss von Arbeitnehmerüberlassung und Scheinselbstständigkeit

2.1 Weisungen und Eingliederung

Der Ausschluss der Eingliederung in die Organisation des Auftraggebers sowie die Betonung des Direktionsrechts des Auftragnehmers zielen darauf ab, die Abgrenzung zur Arbeitnehmerüberlassung deutlich zu machen. Dennoch bleibt fraglich, wie dies in der Praxis umgesetzt wird, insbesondere wenn der Auftragnehmer überwiegend oder ausschließlich für denselben Auftraggeber tätig ist. Entscheidend ist die tatsächliche Ausgestaltung und nicht die vertragliche Regelung allein.

Die Vertragspartner werden durch organisatorische Maßnahmen gewährleisten, dass die im Rahmen der Leistungserbringung eingesetzten Mitarbeiter des Auftragnehmers ausschließlich dessen Direktionsrecht und Disziplinargewalt unterstehen. Es erfolgt keine Eingliederung des zur Leistungserbringung eingesetzten Mitarbeiters des Auftragnehmers in die Organisation des Auftraggebers.

2.2 Single Point of Contact (SPoC)

Die Einführung eines „Single Point of Contact“ (SPoC) ist eine sinnvolle Maßnahme, um die Weisungsbefugnis des Auftraggebers zu beschränken. Gleichwohl könnten faktische Einflüsse auf das operative Handeln der Mitarbeiter des Auftragnehmers Indizien für eine Scheinselbständigkeit liefern, insbesondere wenn die Kommunikation häufig und detailliert direkt mit diesen erfolgt, beispielsweise bei agilen Arbeitsmethoden.

Beide Parteien benennen je einen verantwortlichen Ansprechpartner in Bezug auf sämtliche Belange im Zusammenhang mit dem Dienstvertrag. Der Auftraggeber wird Anforderungen an die zu erbringende Leistung ausschließlich dem vom Auftragnehmer benannten verantwortlichen Ansprechpartner übermitteln und den übrigen vom Auftragnehmer eingesetzten Personen keine Weisungen erteilen. Die vom Auftragnehmer eingesetzten Personen treten in kein Arbeitsverhältnis zum Auftraggeber, auch soweit sie Leistungen in dessen Räumen erbringen.

2.2.1 Agile Cooperation Model

Das „Agile Cooperation Model„, das auf intensiver Zusammenarbeit in gemischten Teams von Auftraggeber und Auftragnehmer basiert, bietet eine dynamische Grundlage für die flexible Erfüllung komplexer Projekt­anforderungen. Gleichzeitig birgt es jedoch erhebliche Risiken im Hinblick auf die klare Abgrenzung von Verantwortlichkeiten und Weisungsbefugnissen.

Insbesondere die enge Kooperation in solchen Teams kann dazu führen, dass die Grenze zwischen selbständiger und abhängiger Tätigkeit verwischt. Wenn Mitarbeitende des Auftragnehmers im Alltag faktisch Weisungen des Auftraggebers entgegennehmen oder in dessen Organisations­struktur eingebunden werden, könnten rechtliche Risiken wie der Verdacht einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung entstehen.

Die formale Einrichtung eines „Single Point of Contact“ (SPoC) soll zwar diese Risiken minimieren, doch erweist sich die praktische Umsetzung in agilen Projekten häufig als herausfordernd, sodass der SPoC meist nur als Formalie auf dem Papier existiert. Die Notwendigkeit ständiger Abstimmung und die Dynamik agiler Methoden können faktisch dazu führen, dass das Weisungsrecht nicht klar getrennt bleibt. Hier bedarf es klarer Prozesse und eines konsequenten Vertragsmanagements, um die rechtliche Selbständigkeit der beteiligten Dienstleister zu wahren.

Auf Nachfrage des VGSD gab die DRV Bund an, in zahlreichen ihrer IT-Projekte mit dem „Agile Cooperation Model“ zu arbeiten.

2.3 Ort, Zeit und Arbeitsmittel

Die Freiheit des Auftragnehmers, Ort und Zeit der Leistung zu bestimmen, wird durch vertragliche und faktische Anforderungen möglicherweise eingeschränkt. Diese Einschränkungen können, wenn sie die Selbstbestimmung übermäßig beeinträchtigen, den Eindruck einer arbeitnehmerähnlichen Stellung erwecken. Besonders kritisch ist die Bereitstellung von Arbeitsmitteln durch den Auftraggeber, da dies eine Abhängigkeit verstärken kann.

Der Auftragnehmer bestimmt grundsätzlich Ort und Zeit der Leistung selbst. Jedoch sind zeitliche, räumliche und fachliche Anforderungen zu beachten, soweit sie sich aus der Leistungsbeschreibung ergeben oder in zwischen den Parteien abgestimmten Termin- oder Leistungsplänen enthalten oder zur Erreichung des Zwecks der Beauftragung erforderlich sind. Für die zur Erbringung der Leistungen notwendigen Arbeitsmittel ist der Auftragnehmer selbst verantwortlich, soweit nicht anders vereinbart.

2.4 Selbständigkeit natürlicher Personen

Die Verpflichtung des Auftragnehmers, seine Selbständigkeit aktiv zu erklären und wirtschaftlich nachzuweisen, ist ein wichtiger Schritt zur Absicherung gegen Scheinselbständigkeit. Allerdings ist zu beachten, dass die tatsächliche wirtschaftliche Unabhängigkeit durch die Vertragsbedingungen nicht beeinträchtigt wird.

Ist der Auftragnehmer eine natürliche Person und erbringt er die Leistungen in eigener Person, gilt Folgendes:
Der Auftragnehmer wird im eigenen Namen und auf eigene Rechnung gegenüber dem Auftraggeber tätig. Er erklärt, rechtlich und wirtschaftlich selbstständig zu sein und insbesondere als Unternehmer in erheblichem Umfang für andere Vertragspartner tätig zu sein. Er verpflichtet sich diesbezügliche Änderungen während der Dauer des Dienstvertrages dem Auftraggeber unverzüglich mitzuteilen.
Der Auftragnehmer ist selbst für seine Alters- und Krankheitsvorsorge verantwortlich.
• Der Auftragnehmer ist verpflichtet, geschuldete Umsatzsteuer ordnungsgemäß an das Finanzamt abzuführen sowie Vergütungen eigenständig und ordnungsgemäß zu versteuern.

2.5 Auffälligkeiten bei Statusfeststellungen der DRV Bund

In den Statusbescheiden der DRV Bund konnten wir folgende Merkmale finden, die für eine abhängige Tätigkeit sprechen:
 
  • Eingliederung (2.1): Sie waren in die Ablauforganisation des Projektes beim Endkunden eingegliedert. Hinsichtlich der Ausführung der zu erbringenden Leistung unterlagen Sie den Einschränkungen durch die Vorgaben des Endkunden.
  • Eingliederung (2.1): Sie arbeiteten mit Mitarbeitern des Kunden des Auftraggebers zusammen.
  • Eingliederung (2.1, 2.3): Sie nahmen an Besprechungen beim Kunden teil.

3 Service und Reaktionszeiten

Die Regelungen zu Service- und Reaktions­zeiten bieten einerseits Struktur, andererseits bergen sie das Risiko, den Dienstleister in eine zeitliche Abhängigkeit zu drängen. Die übliche Servicezeit liegt im Zeitfenster 08:00 bis 17:00 Uhr, also 9 Zeitstunden abzüglich einer gesetzlichen Ruhepause von 30 Minuten nach dem ArbZG, womit eine zeitliche Abhängigkeit angenommen werden kann. Dies könnte insbesondere bei kurzfristigen Anforderungen und fehlender Flexibilität des Auftragnehmers Anzeichen für eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung sein.

Sind keine Servicezeiten* vereinbart, gelten die Zeiträume von Montag bis Freitag von 8:00 Uhr bis 17:00 Uhr (mit Ausnahme der gesetzlichen Feiertage am vereinbarten Ort oder, soweit kein Ort vereinbart ist, beim Auftraggeber) als Servicezeiten*.

Sind keine Reaktionszeiten* vereinbart, ist mit den Leistungen unverzüglich nach Zugang der entsprechenden Meldung oder Eintritt des vereinbarten Ereignisses innerhalb der vereinbarten Servicezeiten* zu beginnen.

4 Leistungsnachweis und Berichterstattung

Die Dokumentationspflicht des Auftrag­­nehmers ist eine übliche Vertragsregelung. Dennoch könnte eine engmaschige Kontrolle durch den Auftraggeber den Anschein erwecken, dass dieser eine arbeitgeber­ähnliche Position einnimmt, was rechtlich kritisch zu prüfen ist.

Der Auftragnehmer dokumentiert die durchgeführten Leistungen zeitnah in angemessener Art und Weise, soweit nicht anders vereinbart, in deutscher Sprache in einem üblichen elektronischen Format und macht sie dem Auftraggeber mit Abschluss der Leistung zugänglich. Der Auftragnehmer ist verpflichtet, zu jeder Zeit Einblick in den aktuellen Stand der Dokumentation zu gewähren.

Auf Verlangen erstattet der Auftragnehmer dem Auftraggeber während der Vertragsdauer Bericht über den Stand der Leistungen.

4.1 Auffälligkeiten bei Statusfeststellungen der DRV Bund

In den Statusbescheiden der DRV Bund konnten wir folgende Merkmale finden, die für eine abhängige Tätigkeit sprechen:

  • Leistungsnachweis (6.1): Sie hatten die Tätigkeit durch Leistungsnachweise zu belegen, die vom Kunden gegengezeichnet wurden.
  • Berichterstattung (6.2): Gemäß den vertraglichen Regelungen waren Sie verpflichtet auf schriftliche Anforderung des Kunden, Statusberichte über den Stand und Fortgang der Leistung zu erbringen.
  • Berichterstattung (6.2): Für die Abnahme der Leistung war beim Kunden in jedem Falle ein Tätigkeitsbericht vorzulegen.

5 Auftragnehmer und Unterauftragnehmer

Das Gesetz über die förmliche Verpflichtung nichtbeamteter Personen (Verpflichtungs­gesetz) regelt den Einsatz von Personen, die nicht im Beamtenverhältnis stehen, zur Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben, indem es deren besondere Treuepflichten und Verantwortlichkeiten festlegt. Kritisch zu betrachten ist jedoch, dass die damit einhergehende enge Einbindung in die Organisationsstrukturen und Weisungs­hierarchien des öffentlichen Dienstes potenziell Merkmale einer Arbeitnehmer­überlassung aufweisen könnte, insbesondere wenn die Abgrenzung zu einer selbst­ständigen Tätigkeit nicht ausreichend klar gezogen wird.

Die zur Erbringung der Leistungen eingesetzten Personen müssen vereinbarungsgemäß, unabhängig davon jedoch mindestens dem Vertragszweck und der Aufgabenstellung entsprechend, qualifiziert sein. Unabhängig davon wird der Auftragnehmer gewährleisten, dass die für die Leistungserbringung vorgesehenen Mitarbeiter über die Qualifikation verfügen, die mindestens seinen diesbezüglichen Angaben sowie den Anforderungen des Auftraggebers im Vergabeverfahren entspricht. Soweit vereinbart, ist der Auftragnehmer verpflichtet, für die Erbringung von ggf. geschuldeten Leistungen vor Ort nur Personen einzusetzen, welche bereit sind, sich aufgrund des Verpflichtungsgesetzes verpflichten zu lassen. Die Kommunikation mit dem Auftraggeber erfolgt in deutscher Sprache, soweit nichts anderes vereinbart ist.

Die Einschränkungen beim Einsatz und Austausch von Unterauftragnehmern sowie bei Schlüsselpositionen deuten auf ein hohes Maß an Kontrolle seitens des Auftraggebers hin. Dies könnte den Eindruck verstärken, dass der Auftragnehmer faktisch in die Struktur des Auftraggebers eingebunden wird, insbesondere wenn diese Regelungen streng gehandhabt werden.

Der Auftragnehmer darf zur Leistungserbringung Unterauftragnehmer nur einsetzen oder eingesetzte Unterauftragnehmer nur auswechseln, wenn der Auftraggeber dem ausdrücklich zustimmt. Die Zustimmung kann nicht aus sachwidrigen Gründen verweigert werden. Die Einarbeitung des neuen Unterauftragnehmers erfolgt auf Kosten des Auftragnehmers. Für die im Angebot des Auftragnehmers benannten Unterauftragnehmer gilt die Zustimmung des Auftraggebers als erteilt.

Der Auftragnehmer darf zur Vertragserfüllung eingesetzte Personen:
• in vereinbarten Schlüsselpositionen nur mit Einwilligung des Auftraggebers auswechseln
; der Auftraggeber wird seine Einwilligung unverzüglich erklären, wenn die Ablösung zwingend erforderlich ist und der Auftragnehmer eine qualifizierte Ersatzperson anbietet. Zwingend erforderlich ist die Ablösung, wenn der weitere Einsatz unmöglich ist.
die nicht auf Schlüsselpositionen eingesetzt sind, auch ohne Einwilligung des Auftraggebers, jedoch nur unter angemessener Berücksichtigung der Interessen des Auftraggebers, durch eine qualifizierte Ersatzperson auswechseln.

Die Ersatzperson gilt nur dann als qualifiziert, wenn sie mindestens über die vertraglich vorausgesetzte Eignung verfügt. Eine höhere Qualifikation der Ersatzperson begründet keinen Anspruch auf Erhöhung der Vergütung. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn die Ersatzperson einer teureren Kategorie zuzuordnen wäre. Die durch den Austausch und die Einarbeitung der Ersatzperson entstehenden Kosten gehen zu Lasten des Auftragnehmers.

5.1 Auffälligkeiten bei Statusfeststellungen der DRV Bund

In den Statusbescheiden der DRV Bund konnten wir folgende Merkmale finden, die für eine abhängige Tätigkeit sprechen:

  • Unterauftragnehmer (8.2): Die Modalitäten der Leistungserbringung wurden zwischen der X GmbH und deren Kunden (hier: Y GmbH) vereinbart und Sie beauftragt. Sie traten somit im Namen und im Auftrag der X GmbH auf.
  • Schlüsselposition (8.3): Die Leistung wurde höchstpersönlich erbracht. Gemäß der vertraglichen Regelungen war eine Übertragung an dritte Personen nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Auftraggebers bzw. Kunden möglich.

6 Vergütungsregelungen

Die detaillierten Regelungen zu Tagessätzen, Stundensätzen und Pausen erscheinen auf den ersten Blick sachgerecht. Allerdings könnten sie, insbesondere bei engen Vorgaben zu Arbeitszeiten, die Eigen­verantwortung des Auftragnehmers einschränken und damit ein weiteres Indiz für eine abhängige Beschäftigung sein.

Es wird lediglich der Zeitaufwand vergütet. Reisezeiten, Reisekosten, Materialkosten und/oder Nebenkosten* werden entsprechend der vertraglichen Vereinbarung vergütet. Vom Auftraggeber zu vertretende Wartezeiten des Auftragnehmers werden wie Arbeitszeiten vergütet. Der Auftragnehmer muss sich jedoch das anrechnen lassen, was er durch die Nichterbringung seiner Leistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Zahlung einer Vergütung nach Aufwand setzt vom Auftragnehmer unterschriebene Nachweise über die Leistungen und die weiteren geltend gemachten Kosten, z.B. entsprechend Muster 1 – Leistungs-nachweis Dienstleistung - voraus.

Das Muster 1 des Leistungsnachweises Dienstleistung kann auf der Website des BMI eingesehen werden, im Folgenden ist ein Screenshot des Musters 1 zu sehen. Gemäß einem vorliegenden Statusbescheid der DRV stellt ein Leistungsnachweis ein Indiz für eine abhängige Beschäftigung dar.

EVB-IT Dienstleistung Leistungsnachweis
EVB-IT Dienstleistung Leistungsnachweis

Es werden nur die für die jeweilige Leistung vereinbarten bzw. abgerufenen Kategorien vergütet. Ist für eine Leistung keine bestimmte Kategorie vereinbart, werden nur die Kategorien vergütet, die zur Erfüllung erforderlich sind. Satz 1 und 2 gelten auch dann, wenn die Leistung durch eine Person erbracht wird, die einer teureren als der erforderlichen Kategorie zuzuordnen ist.

Ist bei Vergütung nach Aufwand eine Obergrenze vereinbart, teilt der Auftragnehmer dem Auftraggeber jeweils unaufgefordert den Bearbeitungsstand und den voraussichtlichen Restaufwand mit, wenn die Obergrenze zu ca. 75% und zu 100% erreicht ist oder wenn sich abzeichnet, dass Hinderungsgründe der vollständigen Erbringung der Leistung innerhalb der Obergrenze entgegenstehen. Unabhängig hiervon ist der Auftragnehmer auch bei Überschreitung der Obergrenze zur voll-ständigen Erbringung der vereinbarten Leistung verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Auftragnehmer die Überschreitung nicht zu vertreten hat. Der Auftragnehmer ist jedoch in diesem Fall verpflichtet, die vereinbarte Leistung gegen zusätzliche Vergütung nach Aufwand zu den vereinbarten Sätzen vollständig zu erbringen, sofern der Auftraggeber dies verlangt.

Je Kalendertag wird nicht mehr als ein Tagessatz vergütet, soweit nichts anderes vereinbart ist. Ein vereinbarter Tagessatz kann nur dann in Rechnung gestellt werden, wenn mindestens acht Zeitstunden geleistet wurden. Werden weniger als acht Zeitstunden pro Tag geleistet, sind diese anteilig in Rechnung zu stellen. Ist ein Stundensatz vereinbart, werden angefangene Stunden anteilig vergütet. Pausen sind auszuweisen und werden nicht vergütet. Werden mehr als sechs Zeitstunden geleistet, wird vermutet, dass der Auftragnehmer eine halbstündige Pause eingelegt hat. Dies gilt nicht, wenn der Auftragnehmer mit dem Leistungsnachweis nachweist, keine Pause gemacht zu haben. Soweit der Auftraggeber nicht ausdrücklich zugestimmt hat oder etwas anderes vereinbart wurde, sind Leistungen nur in den Zeiten zu erbringen, für die weder ein Zuschlag noch ein anderer erhöhter Vergütungssatz vereinbart ist. Wird der Auftragnehmer ohne eine solche Zustimmung oder Vereinbarung tätig, kann er weder einen Zuschlag noch einen erhöhten Vergütungssatz verlangen.

Ein Statusbescheid der DRV Bund legt dar, dass eine erfolgsunabhängige Stundenvergütung weder ein Gewinn- noch ein Verlustrisiko erkennen lässt und somit ein Indiz für eine abhängige Beschäftigung darstellt. Es soll zudem kein wesentliches unternehmerisches Risiko bestehen.

6.1 Auffälligkeiten bei Statusfeststellungen der DRV Bund

In den Statusbescheiden der DRV Bund konnten wir folgende Merkmale finden, die für eine abhängige Tätigkeit sprechen:

  • Leistungsnachweis (9.2.1): Sie hatten die Tätigkeit durch Leistungsnachweise zu belegen, die vom Kunden gegengezeichnet wurden.
  • Stundensatz (9.2.4): Sie erhielten eine erfolgsunabhängige Stundenvergütung, die kein Gewinn- oder Verlustrisiko erkennen ließ
  • Stundensatz (9.2.4): Es bestand für diese Tätigkeit kein wesentliches unternehmerisches Risiko.

7 Zugang und Mitwirkungspflichten

Die Mitwirkungspflichten des Auftraggebers sind klar definiert. Problematisch wird es jedoch, wenn diese so weit gehen, dass der Auftragnehmer ohne eigenes Büro oder Infrastruktur auskommen könnte. Dies würde seine unternehmerische Eigenständigkeit in Zweifel ziehen.

Der Auftraggeber wird dem Auftragnehmer die erforderlichen Informationen und Unterlagen aus seiner Sphäre rechtzeitig zur Verfügung stellen. Der Auftraggeber wird den Mitarbeitern des Auftragnehmers Zugang zu seinen Räumlichkeiten und der dort vorhandenen informationstechnischen Infrastruktur rechtzeitig gewähren und die bei ihm vorhandenen Dokumentationen rechtzeitig übergeben, jeweils soweit dies zur Erbringung der Leistung erforderlich ist und die gesetzlichen und vereinbarten persönlichen Voraussetzungen (z.B. Sicherheitsüberprüfungen nach Sicherheitsüberprüfungs-gesetz - SÜG -) erfüllt sind. Kommt der Auftraggeber seinen Mitwirkungsleistungen trotz Aufforderung des Auftragnehmers nicht, nicht rechtzeitig oder unvollständig nach, kann der Auftragnehmer ein Angebot unterbreiten, diese Leistungen selbst anstelle des Auftraggebers zu erbringen. Sonstige Ansprüche des Auftragnehmers bleiben unberührt.

Bei vereinbartem Teleservice* wird der Auftraggeber entsprechend den Festlegungen in einer Teleservicevereinbarung die notwendigen technischen Einrichtungen auf seiner Seite bereitstellen und den Zugriff auf das System ermöglichen.

8 Änderung der Leistung

Das Änderungsverfahren ermöglicht eine flexible Anpassung der Leistungen. Gleichwohl könnte die häufige Nutzung solcher Anpassungen den Eindruck verstärken, dass der Auftraggeber ein arbeitgeberähnliches Weisungsrecht ausübt.

Der Auftraggeber kann nach Vertragsschluss jederzeit Änderungen des Umfangs der Leistungen verlangen, es sei denn, dies ist für den Auftragnehmer unzumutbar. Das Änderungsverfahren ist auf einem Formular gemäß Muster 2 - Änderungsverfahren Dienstleistung - zu dokumentieren, soweit nichts anderes vereinbart ist. Ändert sich der Umfang der vereinbarten Leistungen des Auftragnehmers, kann der Auftragnehmer verlangen, dass der Vertrag entsprechend angepasst wird. Unbeschadet dessen gilt § 2 der VOL/B (Fassung 2003).

Fazit

Die EVB-IT Dienstleistungs-AGB bieten zahlreiche Mechanismen, um verdeckte Arbeitnehmer­überlassung und Schein­selbständigkeit zu vermeiden. Entscheidend bleibt jedoch die praktische Umsetzung. Vertragliche Pauschalisierungen können nur dann wirksam rechtliche Risiken minimieren, wenn sie mit einer tatsächlichen Unabhängigkeit des Auftragnehmers einhergehen. Eine Gesamtschau aller Kriterien ist unerlässlich, um im Einzelfall zu einer belastbaren rechtlichen Beurteilung zu gelangen.

Einige Merkmale aus den Statusbescheiden der DRV Bund zeigen, dass bei Anwendung dieser auf die EVB-IT Dienstleistungs-AGB stets eine abhängige Beschäftigung bzw. Arbeitnehmer­überlassung angenommen werden kann. Besonders bemerkenswert ist dabei, dass die DRV Bund die AGB selbst nutzt und somit nach ihren eigenen Kriterien zur Statusfestellung in ihr eigenes Raster fallen dürfte.

Quellen

Die folgenden öffentlichen Quellen wurden für diesen Beitrag verwendet:

Inhalt

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