ABC, IR35 & Co.: Wie Länder Freelancer von Angestellten unterscheiden

Freelancer arbeitet in einem Café an seinem Laptop
Freelancer arbeitet in einem Café an seinem Laptop: Foto von iStock / Adene Sanchez
Die Freiheit des Freelancens endet nicht an Ländergrenzen – oder doch? Viele glauben, sie könnten weltweit arbeiten, ohne sich um lokale Regeln zu kümmern. Doch jedes Land hat eigene Kriterien, um echte Selbstständigkeit von versteckter Anstellung zu unterscheiden. Wer etwa in den USA tätig wird, könnte am ABC-Test scheitern, während in Großbritannien die IR35-Regel droht. Auch in Spanien, Frankreich oder den Niederlanden gibt es strikte Vorgaben. Wer sich auf internationale Projekte einlässt, sollte wissen, worauf es ankommt. Denn was als harmloser Auftrag beginnt, kann schnell steuerliche oder rechtliche Folgen haben. Ein Überblick über die wichtigsten Tests und Fallstricke.

Der Traum von grenzenloser Freiheit

Wenn sich Freelancer aufmachen, um Projekte jenseits heimischer Gefilde zu übernehmen, schwingt häufig der Gedanke mit, das Dasein als digitaler Nomade eröffne ein Leben ohne Grenzen – weder geografisch noch rechtlich. Es existiert der weitverbreitete Irrglaube, man könne in anderen Ländern einfach so arbeiten, wie es einem beliebt, ohne sich um lokale Bestimmungen zu kümmern. Dabei liegt genau dort das Risiko: Die Faszination des Ortes täuscht allzu schnell über die Realität hinweg, dass sich auch jenseits der Heimat Rechtsordnungen und Regelwerke verbergen, die streng zu beachten sind.

Versteckte Fallstricke der Selbstständigkeit

Tatsächlich stößt man bereits bei der Frage, ob die selbstständige Tätigkeit im Zielland überhaupt anerkannt wird, auf Fallstricke. Viele Freelancer verlassen sich auf inoffizielle Ratschläge von Bekannten oder Foreneinträgen, die zwar gut gemeint sind, jedoch oft nur Halbwissen oder Anekdoten verbreiten. Mit dem eigenen Laptop in einem Café in New York zu sitzen, kann inspirieren – ob die Steuern korrekt abgeführt und die Sozialversicherungspflichten erfüllt sind, bleibt hingegen eine ganz andere Frage. Genau hier zeigt sich, dass man eine globale Selbständigkeit nicht allein aus einem Impuls heraus angehen kann.

Jedes Land hat eigene Regeln

Von den USA über Großbritannien bis Australien, von Österreich und den Niederlanden bis Spanien oder Frankreich – in jedem dieser Länder gelten unterschiedliche Definitionen und Kriterien zur Unterscheidung zwischen Angestellten und Selbständigen. Manchmal finden sich Überschneidungen, die zum Überschätzen der eigenen Kenntnisse führen. Und doch ist jedes System in seinen Feinheiten einzigartig. Wer seine internationalen Projekte nicht nur als kurzfristigen Abstecher, sondern als echtes Geschäftsmodell betrachtet, sollte sich daher mit den wichtigsten Regelungen gründlich auseinandersetzen. Ohne eine solide Vorbereitung kann es teuer oder gar existenzbedrohend werden, wenn man plötzlich steuer- oder arbeitsrechtlich belangt wird, weil man auf vermeintliche Freizügigkeit vertraute.

Welche Regeln gelten?

Im Folgenden sind zentrale Tests und Kriterien zusammengestellt, die in verschiedenen Ländern zur Feststellung einer echten Selbständigkeit herangezogen werden. Sie bilden nur einen Ausschnitt aus der umfangreichen globalen Rechtslandschaft, doch bieten sie erste Orientierung – und einen Anreiz, sich noch tiefer damit zu beschäftigen, was es heißt, grenzüberschreitend auf eigenen Füßen zu stehen.

1. USA: ABC-Test

  • Kontrolle: Wird die Person in der Art und Weise, wie sie arbeitet, vom Unternehmen kontrolliert?
  • Unternehmensbezug: Führt die Person eine Arbeit aus, die nicht zur Haupttätigkeit des Unternehmens gehört?
  • Unabhängigkeit: Ist die Person tatsächlich selbstständig, arbeitet für andere Kunden und bestimmt ihre Konditionen selbst?

2. Großbritannien: IR35-Regelung

  • Kontrolle: Bestimmt der Auftraggeber über Arbeitsweise, Ort und Zeit?
  • Persönliche Verpflichtung: Kann der Auftragnehmer eine Vertretung einsetzen oder muss er die Arbeit persönlich erledigen
  • Wechselseitige Verpflichtung: Muss der Auftraggeber kontinuierlich Arbeit bereitstellen und der Auftragnehmer sie annehmen?

3. Australien: Contractor vs Employee Test

  • Kontrolle: Bestimmt der Auftragnehmer selbst, wie, wann und wo die Arbeit erledigt wird
  • Unternehmerisches Risiko: Trägt der Auftragnehmer eigene finanzielle Risiken und stellt eigene Arbeitsmittel?
  • Abhängigkeit/Eingliederung: Arbeitet die Person regelmäßig und (fast) ausschließlich für einen Auftraggeber?

4. Österreich: "Neue Selbstständige"

  • Weisungsgebundenheit: Kann der Auftragnehmer frei über Arbeitszeit, -ort und -weise entscheiden?
  • Wirtschaftliches Risiko: Werden eigene Betriebsmittel genutzt, und besteht die Möglichkeit von Gewinn oder Verlust?
  • Abhängigkeit/Eingliederung: Arbeitet die Person fortlaufend für einen einzigen Auftraggeber und ist in dessen Betriebsabläufe eingebunden?

5. Niederlande: DBA-Modell

  • Weisungsabhängigkeit: Bestimmt der Auftraggeber, wie, wo und wann die Arbeit ausgeführt wird?
  • Persönliche Arbeitspflicht: Muss der Auftragnehmer die Arbeit selbst erledigen oder kann er eine Vertretung schicken?
  • Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis: Deutet die Art der Vergütung, Urlaub oder sonstige Regelung auf ein Angestelltenverhältnis hin?

6. Spanien: Autónomo-Regelung

  • Einnahmequelle: Stammt mehr als 75 % des Einkommens von einem einzigen Kunden?
  • Eingliederung: Nutzt die Person Ressourcen des Kunden, folgt internen Anweisungen oder hat feste Arbeitszeiten?
  • Eigenständigkeit: Entscheidet die Person selbst über Preise, Kunden und Investitionen?

7. Frankreich: Travailleur Indépendant & Précarité-Test

Kontrolle: Bestimmt der Auftraggeber über Arbeitszeiten, -ort und -weise?
Wirtschaftliche Abhängigkeit: Hängt das Einkommen überwiegend von einem einzigen Auftraggeber ab?
Eingliederung: Nutzt die Person Firmenressourcen und arbeitet wie ein regulärer Angestellter?

Mit Bedacht in die Ferne

Aus dieser Übersicht lässt sich unschwer erkennen, dass Freelancer in vielen Ländern durchaus vergleichbare Herausforderungen erwarten: Immer steht im Mittelpunkt, wer das Risiko trägt, wie eng man eingebunden ist und ob man noch die volle Autonomie über das eigene Tun behält. Was zunächst trivial klingt, kann in der Praxis komplex sein. Bestimmte Einkommensanteile, der Einsatz eigener Betriebsmittel und die Frage, ob man eine Vertretung beauftragen darf, entscheiden oft, ob die Tätigkeit als authentisch selbstständig gilt oder doch eher einer Festanstellung ähnelt.

Bürokratische Stolpersteine

Wer den Traum verfolgt, international tätig zu sein, ohne je den Boden für festen Halt zu benötigen, sollte jedoch darauf gefasst sein, dass jede Nation ihre besonderen Stolpersteine kennt. Oft gehen anfangs die bürokratischen Hürden im Abenteuer unter. Irgendwann häufen sich dann Fragen nach der eigenen Steuernummer, nach Versicherungsnachweisen oder nach den genauen Vertragskonditionen. Bei derartigen Themen reicht die persönliche Motivation nicht mehr aus; hier braucht es fundiertes Wissen oder professionelle Beratung.

Globalisierung bedeutet Verantwortung

Schließlich ist Globalisierung mehr als eine weite Reise mit dem Flugzeug oder das Buchen eines Coworking-Spots. Sie bedeutet zugleich, ein Stück Verantwortung für das eigene Geschäft überall dorthin mitzunehmen, wo man arbeiten möchte. Und wer diesen Weg mutig beschreiten will, tut gut daran, rechtzeitig Klarheit zu schaffen: zur Selbstständigkeit, zur Haftung, zu den Gebühren und Abgaben, die anfallen können. Denn nur, wenn man die jeweiligen gesetzlichen Anforderungen kennt und beachtet, kann man das Leben als Freelancer im Ausland wirklich genießen – jenseits von Mythen und immer mit Blick auf die Realität, die nicht selten komplizierter, aber auch lohnender ist, als man anfangs glaubt.

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