Die Grenze zwischen Projektarbeit und verdeckter Arbeitnehmerüberlassung
Die Inserate, die freilich nicht direkt von der BA, sondern von beauftragten Dienstleistern auf einschlägigen Freelancer-Plattformen wie Freelancermap veröffentlicht werden (siehe unsere Quellen), erwecken auf den ersten Blick den Eindruck ganz normaler Projektstellen: Von Softwareentwicklung über Content-Erstellung bis hin zur Koordination von Anforderungsprozessen in agilen Teams – eine bunte Palette von Tätigkeiten, die durchaus dem Standard moderner IT- und Digital-Projekte entspricht. Doch wer die Stellenanzeigen genau liest, entdeckt mehrere wiederkehrende Merkmale. Neben spezifischen Fähigkeiten im Umgang mit agilen Methoden wie Scrum, Kanban und Pair Programming verlangen die Auftraggeber in bekannten Fällen den Einsatz im Rahmen einer kostenlosen Einarbeitung. Je nach Projekt schwankt diese Zeitspanne zwischen wenigen Tagen und bis zu zwei Wochen, oder wird auf fünf Prozent der gesamten Projektlaufzeit hochgerechnet.
Kritiker verweisen hierbei auf die Gefahr, dass Fremdpersonal nicht wirklich selbstbestimmt agieren können, sondern de facto in die Arbeitsorganisation der BA eingebunden werden. Bereits das Bereitstellen von Arbeitsmitteln wie dem Intranet-Zugang, BA-Notebooks und die Nutzung von Kollaborationstools (Jira, Confluence) lässt Zweifel an einem echten Dienstverhältnis aufkommen. Wenn obendrein ein fester Arbeitsort – in vielen Fällen das BA-eigene Gebäude in Nürnberg – gefordert wird und der Auftraggeber sich das Recht vorbehält, den Umfang der unentgeltlichen Einarbeitung festzulegen, liegt der Gedanke an eine Scheinselbständigkeit oder verdeckte Arbeitnehmerüberlassung nicht fern.
Kostenlose Einarbeitung als fragwürdige Praxis
Dass in der IT-Branche oder im Projektgeschäft gelegentlich kurze, unvergütete Kennenlernphasen veranschlagt werden, ist nicht neu. Die hier geforderten Zeitspannen sind jedoch auffällig hoch und ziehen sich quer durch alle bekannten Projektbeschreibungen. Manches Fremdpersonal soll bis zu 60 Stunden kostenfrei arbeiten, bei wieder anderen Projektstellen wird pauschal von einer bis zwei Wochen unentgeltlicher Einarbeitung gesprochen. In mehreren Fällen taucht die identische Formel auf: „Die ersten fünf Prozent der Beauftragung gelten als kostenlose Einarbeitung.“
Dieses Modell provoziert nicht nur Fragen zur Fairness. Denn während ein erfahrener IT-Spezialist oder Agil-Coach seine Dienstleistung normalerweise zu marktüblichen Honorarsätzen anbietet, entwertet sich die entsprechende Leistung, wenn sie zu signifikanten Teilen unvergütet erfolgt. Fremdpersonal soll sich bei Erstabruf kostenlos in die Prozesse der BA einarbeiten. Überdies kann man argumentieren, dass die BA hier einseitig ihren Vorteil sichert: Sollte sich der neue Dienstleister in der Einführungsphase als nicht geeignet erweisen, trägt die betreffende Fachkraft oder ihr Arbeitgeber das volle Risiko – ohne angemessene Vergütung.
Agile Methoden als goldene Fassade?
In vielen der gesichteten Projektstellen wird betont, wie sehr die BA agile Arbeitsweisen schätzt. Scrum, Kanban, Clean Code Development, Pair Programming – all das gehört offensichtlich zum Repertoire der Teams, in denen Fremdpersonal einsteigen sollen. Auf dem Papier soll das die Modernität und Innovationsfähigkeit der BA unterstreichen. Doch bei näherem Hinsehen erinnert das Setting eher an die klassischen Mechanismen großer Konzerne, die Outsourcing betreiben. Das Fremdpersonal wird in die Abläufe der BA integriert, übernimmt weitreichende Aufgaben in den Bereichen Entwicklung, Testautomatisierung, Content-Erstellung und Anforderungsmanagement und arbeitet Hand in Hand mit Entwicklerteams.
Der Geist agiler Selbstorganisation, der eigentlich eine eigenverantwortliche, flexible Projektgestaltung ermöglichen soll, weicht damit einem starren Gerüst: zeitliche Vorgaben, Einarbeitungsquoten, Präsenzpflichten und detaillierte Vorgaben für Arbeitsinhalte. Unter einer solch engen Taktung wird die Idee von Scrum & Co. möglicherweise zum reinen Feigenblatt, um nach außen hin Modernität zu suggerieren.
Zwischen Recht und Praxis – das Dilemma der Kontrolle
Selbstständigkeit ist im deutschen Arbeitsrecht daran erkennbar, dass ein Auftragnehmer weisungsfrei agiert, eigene Arbeitsmittel einsetzt und nicht in die betriebliche Organisation des Auftraggebers eingebunden wird. Dabei ist es im Ergebnis unerheblich, ob Weisungen mündlich erteilt oder in Textform niedergelegt werden und vom (Fremd-)Personal zu befolgen sind. Genau diese Punkte sind durch die Projektinhalte und Anforderungen der BA-Verträge infrage gestellt. Denn wer regelmäßig die gleichen Systeme, wie der Auftraggeber nutzt und sich in fachliche Entscheidungsprozesse eingliedert, unterliegt möglicherweise dem Weisungsrecht einer Behörde, also einem klassischen Arbeitgeber. Scheinselbstständigkeit oder verdeckte Arbeitnehmerüberlassung kann die Folge sein.
Warum Schweigen so laut sein kann
Viele freiberufliche Experten, die sich in eine solche Konstellation wagen, sind sich des heiklen Charakters durchaus bewusst. Doch wer dringend ein Projekt sucht oder auf die BA als Kunden angewiesen ist, wird sich hüten, öffentlich auf mögliche Rechtsverstöße hinzuweisen. Zumal die Bundesagentur für Arbeit als wichtigste Institution des deutschen Arbeitsmarkts über eine erhebliche Marktmacht verfügt. Nicht selten zügeln Dienstleister oder Freelancer ihre Kritik, um die Geschäftsbeziehung nicht zu gefährden.
Die BA selbst äußert sich zu diesem Thema in der Regel nicht. Fragen zu möglichen Verstößen gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz oder zu verdächtigen Vertragspassagen werden oft an die jeweiligen Personaldienstleister verwiesen, die die Ausschreibungen der Projektstellen steuern. Doch dieses Schweigen ist laut, denn die BA steht im Ruf, sich für faire Arbeitsbedingungen einzusetzen – gleichzeitig scheint sie mitunter von genau den Praktiken zu profitieren, gegen die sie in ihrer Rolle als oberste Instanz des deutschen Arbeitsmarkts eigentlich einschreiten sollte.
Am 15. Januar 2025 haben wir der zentralen Pressestelle der BA mehrere Fragen zur kostenlosen Einarbeitung übermittelt und um eine Stellungnahme gebeten. Die offizielle Antwort der BA Pressestelle vom 28. Januar 2025 liegt uns inzwischen vor.
Offizielle Antworten der BA Pressestelle
Auf Anfrage teilte uns die BA mit, dass der neunte (9.) Rahmenvertrag (RV) über Softwareentwicklung (SE), kurz: „9. RV-SE“ (siehe Bekanntmachung im TED), folgenden Vertragsbestanteil enthät:
Der AN gewährt pro eingesetzter Person bei Erstabruf eine kostenneutrale Einarbeitungszeit von im Regelfall 10 % des Abrufvolumens, um die Anforderungen und Prozesse der BA kennen zu lernen.
Vertragsbestandteil des 9. RV-SE der BA
Beweggründe für die kostenfreie Einarbeitung
Unsere Frage:
Was sind die Beweggründe für die kostenfreie Einarbeitung von Fremdpersonal bei der BA?
Antwort BA Pressestelle:
„Die „kostenneutrale Einarbeitung“ beschreibt die Phase, in der der Auftragnehmer der BA eigene Beschäftigte oder Subunternehmer (Selbständige/Freelancer) einweist, wie der Auftrag zu erfüllen ist. Damit soll im Verhältnis Auftraggeberin BA — Auftragnehmer lediglich die produktive Tätigkeit gem. des jeweiligen Abrufes vergütet werden.“
Tätigkeiten wähend der kostenfreien Einarbeitung
Unsere Frage:
Wie informiert die BA die betroffenen Freelancer über die Rahmenbedingungen und Erwartungen solcher unentgeltlichen Tätigkeiten?
Antwort BA Pressestelle:
„Es handelt sich um eine Einweisung von Erfüllungsgehilfen, die der Auftragnehmer erstmals für den jeweiligen Abruf einsetzt. In dieser Zeit führen diese noch keine produktive Tätigkeit im Rahmen der Auftragserledigung aus.“
Information von Freelancern zur kostenfreien Einarbeitung
Unsere Frage:
Welche Tätigkeiten sollen in der kostenfreien Einarbeitungszeit vom Fremdpersonal bei der BA übernommen werden?
Antwort BA Pressestelle:
„Es besteht kein Vertrag zwischen der BA und einzelnen Freelancern. Mit der vertraglichen Regelung einer „kostenneutralen Einarbeitungszeit“ bei Personal oder Subunternehmern, die der Auftragnehmer erstmals in der BA einsetzt, wird lediglich eine pauschalierte Regelung getroffen, nach der die BA ihrem Auftragnehmer keine Zahlungen für Zeiten leisten muss, in der das Personal des Auftragnehmers nicht produktiv ist. Ob als Subunternehmer eingesetzte Freelancer in dieser Zeit Zahlungen von ihrem Auftraggeber erhalten, ist in den jeweiligen Regelungen werden zwischen Freelancer und dessen Auftraggeber vereinbart.„
Anforderungen in der Privatwirtschaft rechtlich und ethisch höhst umstritten
Unsere Frage:
Ist der BA bekannt, dass derartige Anforderungen in der Privatwirtschaft rechtlich und ethisch höchst umstritten wären? Falls ja, wie rechtfertigt sie die eigene Praxis im Vergleich dazu?
Antwort BA Pressestelle:
„Die Anforderungen wurden transparent im Zuge der Ausschreibung in den Vergabeunterlagen veröffentlicht. Jedem Bieter steht es frei hierzu Rückfragen zu stellen bzw. von einer Angebotsabgabe abzusehen. […] Die pauschalierte „kostenneutrale Einarbeitungszeit“ ausschließlich den Einsatz bei Erstabruf, also bei Personal oder Subunternehmern, die der Auftragnehmer der BA noch nicht innerhalb der BA eingesetzt hat. Kommt die betreffende Person später erneut zum Einsatz, so greift diese Regelung nicht.“
Kontrollmechanismen zur Vermeidung von Missbrauch und Ausbeutung
Unsere Frage:
Wer innerhalb der BA genehmigt oder überwacht solche Praktiken? Gibt es einen internen Kontrollmechanismus, um Missbrauch und Ausbeutung zu verhindern?
Antwort BA Pressestelle:
„Die BA kennt ausschließlich ihre eigenen Verträge mit den Auftragnehmern, nicht die vertraglichen Regelungen der Subunternehmer mit den Auftragnehmern der BA.
Die jeweils abrufende Einheit (meist ein Fachbereich im IT-Systemhaus der BA) ist verantwortlich für die Prüfung der Abrechnung durch den Auftragnehmer, insbesondere die Prüfung, ob der Auftragnehmer die „produktiven“ Zeiten korrekt abrechnet. Zudem wird von einer internen Kontrollstelle in Stichproben geprüft, ob die vertraglichen Regelungen zu diesem Punkt eingehalten werden.“
Zusammenarbeit mit Freelancern durch die BA
Unsere Frage:
Gibt es Überlegungen seitens der BA, stattdessen bezahlte Aufträge oder andere Formen der Zusammenarbeit mit Freelancern zu fördern, um deren wirtschaftliche Situation zu unterstützen?
Antwort BA Pressestelle:
„Derzeit bestehen keine Verträge, aus denen die BA Dienst- oder Werkleistungen Selbständiger/Freelancer in Zusammenhang mit der IT-Landschaft der BA abruft.
Die BA muss sich bei der Vergabe von Aufträgen neutral verhalten, d.h. Aufträge ab einer gewissen Größenordnung müssen ausgeschrieben werden und die BA muss das wirtschaftlichste Angebot ermitteln. Es steht jedem/jeder frei, sich an Ausschreibungsverfahren der BA zu beteiligen und ein Angebot abzugeben.“
Die BA Pressestelle fässt zusammen
Abschließend fässt die BA Pressestelle zusammen:
„Die Bundesagentur für Arbeit sieht sich nicht in der Arbeitgeberrolle gegenüber den Freelancern, die Sie hier erwähnen. Eine solche lässt sich auch nicht aus der Sachlage ableiten. Deswegen sehen wir uns auch nicht in der Rolle, die Pflichten zu erfüllen, die Sie in Ihren Fragen erwähnen.„
Die gesamte Antwort des BA Pressestelle kann hier eingesehen werden.
Wir merken an, dass die BA externes Personal mit agilen Arbeitsmethoden in Projekten arbeiten lässt und hausinterne Tools (Jira, Confluence) zur Verfügung stellt. Diese Tools sind marktüblich (üblich wie Word, Excel oder PowerPoint), so dass erfahrenes Personal keine Einarbeitung benötigen sollte. Es stellt sich die Frage, warum externes Personal im Umfang von im Regelfall 10 % des Aufrufvolumentens sich kostenlos mit den Anforderungen und Prozessen der BA beschäftigen soll. Dies dürfte einer kostenlosen Anforderungsanalyse gleichkommen, die üblicherweise vergütet wird. Zudem kann aufgrund der umfangreichen Einarbeitung von einer Integration in die Arbeitsabläufe der BA ausgegangen werden.
Der Weg zur Rechtssicherheit – und warum er so schwierig ist
Womöglich argumentiert die BA, dass in einem innovationsfreudigen Umfeld agile Methoden der beste Weg sind, um Projekte schnell und effektiv umzusetzen. Die Durchmischung externer Berater und fester Mitarbeiter könne dabei den Wissenstransfer beschleunigen. Kostenlose Einarbeitungen, so mag die Begründung lauten, schaffen eine faire Grundlage für beide Seiten, um sich kennenzulernen. Doch wie fair ist es, wenn eine Seite die Regeln diktiert?
Juristisch müssten die Grenzen sauber gezogen werden: Eine projektbezogene Mitarbeit kann eine echte selbstständige Tätigkeit sein. Das setzt jedoch voraus, dass Fremdpersonal frei in seiner Zeiteinteilung ist, eigene Hardware oder Software nutzt, eigene Arbeitsmethoden wählen kann und nicht dauerhaft den Arbeitsanweisungen der BA unterliegt. Im Umkehrschluss wäre jede tiefgreifende Einbindung in Abläufe, Hierarchien und Managementstrukturen ein Indiz für ein Beschäftigungsverhältnis oder eine Arbeitnehmerüberlassung.
Dabei weist die BA gemeinsam mit der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) und dem GKV-Spitzenverband in ihrem gemeinsamen Rundschreiben zur Statusfeststellung von Erwerbstätigen 2022 (Dokument „GRS Statusfeststellung 2022“, S. 16, Nr. 3.2.9) explizit auf Indizien einer abhängigen Beschäftigung bei agilen und projektorientierten Arbeitsmethoden hin. Gleichzeitig setzen jedoch eben diese drei öffentlichen Auftraggeber laut Insiderangaben selbst IT-Fremdpersonal in Projekten mit einem geschätzten Gesamtvolumen von über 1 Milliarde Euro an Steuermitteln ein (etwa die BA mit 34.000 Projektmonaten, die DRV Bund mit 414 Millionen Euro sowie der GKV-Spitzenverband). Es entsteht der Eindruck, dass dort möglich ist, was andernorts untersagt scheint. Um diese Ungleichbehandlung zu beenden, ist eine politische Reform überfällig, die agiles Arbeiten auf freier Dienstleistungsbasis grundsätzlich erlaubt.
Unabhängig davon, ob angestellte Mitarbeiter von Dienstleistern oder Selbstständige eingesetzt werden, gelten die Kriterien der Weisungsgebundenheit und Eingliederung sowohl für eine abhängige Beschäftigung im Sinne des SGB IV als auch im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG. Dies dürfte der BA bekannt sein, schließlich ist sie für die Durchführung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes zuständig.
Die DRV Bund beruft sich bei der Frage, ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, gerne auf eine Einzelfallprüfung, bei der sämtliche Merkmale eines Auftragsverhältnisses gemäß § 7a Abs. 2 SGB IV untersucht werden.
Nun rückt die BA in den Fokus: Eine Clearingstelle zur Feststellung von Arbeitnehmerüberlassung besteht hierzulande nicht – und es spricht vieles dafür, dass dies auch im Sinne einer Vermeidung weiterer Bürokratie so bleibt. Gleichwohl sind die Behörden der Zollverwaltung nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 lit. b) SchwarzArbG gehalten, entsprechende Prüfungen durchzuführen. An vorderster Front steht dabei die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS), eine dem deutschen Zoll zugeordnete Einheit auf Ortsebene, deren Kernaufgabe in der Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung besteht.
Die Bundesregierung antwortet
Auf eine schriftliche Frage eines Abgeordneten zu dem Urteil des LSG BW mit Aktenzeichen L 8 BA 1374/20 zur agilen Projektarbeit antwortete die Bundesregierung in der Woche vom 20. Januar 2025 in Drucksache 20/14639 vom Deutschen Bundestag.
Welche Kriterien sind aus Sicht der Bundesregierung im Rahmen agiler digitaler Arbeitsprozesse heranzuziehen, um zu entscheiden, ob ein Beschäftigungsverhältnis selbständig oder abhängig erfolgt, und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Rechtsprechung (Urteil vom 17. Dezember 2021, L 8 BA 1374/20), wonach das Kriterium der Eingliederung (vgl. § 7 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch) bei digitalen, agilen Arbeitsprozessen ungeeignet ist und einer Weiterentwicklung bedarf?
Deutscher Bundestag, Drucksache 20/14639, Frage 59, Seite 45 ff.
Nach § 7 Absatz 1 Satz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Absatz 1 Satz 2 SGB IV). Maßgebend für die Einstufung, ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine Gesamtbetrachtung des Einzelfalls. Dies gilt für jede Tätigkeit. Eine pauschale Einstufung etwa bestimmter Berufsgruppen erfolgt nicht. Die gesetzlich vorgesehene Abgrenzung abhängiger Beschäftigung von selbständiger Tätigkeit ist flexibel und offen im Hinblick auf die Vielgestaltigkeit heutiger Erwerbsformen und zukünftige neue Entwicklungen. Dies belegt die in der Fragestellung zitierte rechtskräftige Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. Dezember 2021 (L 8 BA 1374/20), in der im konkreten Fall Selbständigkeit festgestellt wurde.
Die Auslegung des § 7 SGB IV und die Entscheidung im Einzelfall obliegt dem zuständigen Sozialversicherungsträger und im Streitfall den Sozialgerichten.
Bestehen Zweifel, ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, können sich die Beteiligten mit dem optionalen Statusfeststellungsverfahren (§ 7a SGB IV) frühzeitig Rechtsklarheit über den Rechtscharakter ihrer Vertragsbeziehung verschaffen. Dieses Verfahren dient einer schnellen und sachgerechten Klärung der StatusfrageAntwort Bundesregierung durch das BMAS
Wessen Verantwortung ist es?
Die Verantwortung dafür, Transparenz zu schaffen und eine klare rechtliche Basis herzustellen, liegt zunächst bei der BA als Auftraggeberin und deren externen Dienstleistern. Doch auch die beauftragten Freelance-Anbieter stehen in der Pflicht, ihre Ausschreibungen korrekt zu gestalten und klarzustellen, in welchem Rahmen sich das Engagement bewegt. Nicht zuletzt sind es die freien Berater selbst, die in ihrer Eigenverantwortung die Grenzen des Erlaubten ausloten müssen. Eine Meldung bei der Deutschen Rentenversicherung zur Statusklärung kann ein Weg sein, Rechtssicherheit zu erhalten. In der Praxis führt dieser Schritt jedoch oft zum Ende einer möglichen Zusammenarbeit.
Ein Sinnbild für den Wandel der Arbeitswelt
Diese Vorgänge illustrieren, wie verschoben die Grenzen zwischen klassischen Festanstellungen, Arbeitnehmerüberlassung und freiberuflichen Tätigkeiten geworden sind. Die Bundesagentur für Arbeit steht dabei sinnbildlich für eine gesamte Arbeitswelt im Umbruch. Die digitale Transformation erfordert flexible Projektstrukturen, während rechtliche Rahmenbedingungen oft noch auf die klassische Festanstellung zugeschnitten sind. Dabei bleibt die Frage offen, wie weit öffentliche Einrichtungen gehen dürfen, wenn es um den Einsatz agiler Projektressourcen geht – und wie groß das moralische Dilemma wird, wenn sich eine Institution, die für arbeitsrechtliche Fairness stehen soll, in einer Grauzone bewegt.
Ausblick – oder das Verlangen nach Klarheit
Ob es zu verdeckten Arbeitnehmerüberlassungen bei der BA kommt, wird sich womöglich erst entscheiden, wenn ein mutiger Freelancer oder Dienstleister gegen die Praxis klagt und ein Gericht hierüber urteilt. Ist die BA tatsächlich innovativ und wappnet sich so für die digitale Zukunft? Oder werden hier Lücken im Gesetz genutzt, um flexible Arbeitskräfte über fragwürdige Vertragsmodelle zu rekrutieren?
Bis auf Weiteres dürfte sich die BA bemühen, die Thematik intern abzufedern und zugleich die Projekte voranzutreiben. Derweil registrieren Fachkräfte auf dem freien Markt verstärkt, dass sich die BA zu einem Großauftraggeber in der IT-Branche gemausert hat (34.000 Projektmonate über 36 Monate Laufzeit im „9. RV-SE“) und die Projektausschreibungen hohe Nachfrage erzeugen. Wer seine Expertise einbringen will, wird jedoch nicht umhinkommen, sich die Rolle als vermeintlicher Freelancer oder freier Dienstleister in diesem Konstrukt genau anzusehen.
Am Ende bleibt ein schaler Beigeschmack: Die Institution, die eigentlich dafür zuständig ist, faire Arbeitsbedingungen zu überwachen und Scheinselbstständigkeit oder illegaler Beschäftigung entgegenzuwirken, gerät selbst in den Fokus, wenn es um kostenlose Einarbeitung und das Vorgeben agiler Freiheiten geht. Das erzeugt nicht nur Zweifel an den eigenen Grundsätzen, sondern untergräbt auch das Vertrauen in die Bundesagentur als einem der wesentlichen Garanten für soziale Gerechtigkeit in Deutschland.
Quellen (archivierte Projektstellen)
Projektstelle 1 – Tester mit DMS und SAP Grundkenntnissen
- „Zudem fordert der Kunde eine kostenfreie Einarbeitung von ca. 2 Wochen„
- „Abstimmung mit den agilen Teams, insbesondere Entwicklern während der agilen Entwicklungszeit“
- „Unterstützung der agilen Teams bei der Vorbereitung und Erarbeitung der Testdaten“
- „Unterstützung und Mitarbeit bei Erhöhung des Automatisierungsgrades“
- „Agile Praktiken (Z. B. Scrum, Kanban, Clean Code Development, Pair Programming)“
- „Atlassian-Suite: JIRA & Confluence„
Projektstelle 2 – Change Manager
- „Zudem fordert der Kunde eine kostenfreie Einarbeitung von ca. 60 Stunden„
- „Agiles Anforderungsmanagement (z. B. Productowner-Kenntnisse)“
- „Track- & Tracetools (JIRA, ARS Remedy)“
- „Agile Softwareentwicklung (SCRUM)„
Projektstelle 3 – Lead Requirements Engineer
- „Zudem fordert der Kunde eine kostenfreie Einarbeitung von ca. 60 Stunden„
- „Schnittstelle zwischen Fachabteilung und Realisierung„
- „Unterstützung der Software-Architektur, der Realisierung und des Projektmanagements“
- „Agiles Anforderungsmanagement (z. B. Productowner-Kenntnisse)“
- „Track- & Tracetools (JIRA, ARS Remedy)“
- „Agile Softwareentwicklung (SCRUM)„
Projektstelle 4 – Pega Low-Code Entwickler
- „Zudem fordert der Kunde eine kostenfreie Einarbeitung von 26 Stunden„
- „Konfiguration von Schnittstellen zur Integration der Low-Code-Plattform in die BA-Umgebung„
- „Agile Praktiken (Z. B. Scrum, Kanban, Clean Code Development, Pair Programming)„
Projektstelle 5 – Testmanager Barrierefreiheit
- „Zudem fordert der Kunde eine kostenfreie Einarbeitung von 60 Stunden„
Projektstelle 6 – UI/UX Designer
- „Für dieses Projekt ist eine kostenfreie Einarbeitung notwendig. Die Einarbeitung dauert im Normalfall 2 Wochen„
- „Erfahrung in agilen Arbeitsweisen“
Projektstelle 7 – Android App Entwickler
- „Für dieses Projekt ist eine kostenfreie Einarbeitung notwendig. Die Einarbeitung dauert im Normalfall 2 Wochen„
- „3 Jahre Erfahrung mit Agilen Arbeitsweisen (Scrum, Kanban)„
Projektstelle 8 – Content Experten
- „Für dieses Projekt ist eine kostenfreie Einarbeitung notwendig. Die Einarbeitung dauert im Normalfall ca. 1 Wochen, kann aber im Kundeninterview verhandelt werden.“
- „1x Content-Experte PG3“ (Anmerkung: PG=Preisgruppe)
- „Kontinuierliche Überprüfung der redaktionellen Inhalte im Hinblick auf strategische Ziele (z. B. Sprachgebrauch, Umfang) der BA„
- „Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Workshops zu den Inhalten des Online-Portals mit den BA-internen Fach-experten im Rahmen der übertragenen Aufgaben„
- „Verständnis und Interesse für die Kernthemen der BA, bes. Ausbildung und Migration„
- „BA Einsatz in Teams mit Projektaufträgen„
Projektstelle 9 – Risikomanager
- „Für dieses Projekt ist eine kostenfreie Einarbeitung notwendig. Die Einarbeitung dauert im Normalfall ca. 1 Wochen, kann aber im Kundeninterview verhandelt werden„
- „Konfigurationsunterstützung in Tools wie JIRA und Confluence„
- „Teilnahme an Besprechungen zum technischen Austausch„
- „Jira & Confluence„
Projektstelle 10 – Enterprise Architekt
- „Für dieses Projekt ist eine kostenfreie Einarbeitung notwendig. Die Einarbeitung dauert im Normalfall ca. 1 Wochen, kann aber im Kundeninterview verhandelt werden„
- „(Erwerbs-)Migration“
- „Gewährung von existenzsichernden Leistungen„
- „Datentransfer mit dem AZR zwingend erforderlich“ (Anmerkung: AZR=Ausländerzentralregister)
Projektstelle 11 – Application Manager
- „DIE ERSTEN 5% DER BEAUFTRAGUNG GELTEN ALS KOSTENLOSE EINARBEITUNG„
- „Zum 01.09.2023 startet das Projekt ERP#Konversion_FILOG“ (Anmerkung: Im Rahmen des Projektes ERP-Konversion FILOG soll das ERP-System der BA in ein S/4Hana-System konvertiert werden)
Projektstelle 12 – ABAP Entwickler im HCM Umfeld
- „2nd-Level-Support gewährleistet werden“
- „insgesamt für alle 4 Entwickler 5120 Stunden remote und 1280 Stunden vor Ort„
- „ACHTUNG: 5 % kostenlose Einarbeitung„
Projektstelle 13 – SAP Testdesigner
- „Achtung: Der Kunde erwartet 5 % kostenlose Einarbeitung, Grundlage dafür sind hier die insgesamt 266 Stunden!!!!!“
Projektstelle 14 – Service Now Entwickler
- „Alternativ: Bestcan Stundensatz – dann aber 5% des Gesamt-Volumens als kostenlose Einarbeitung„
Projektstelle 15 – SAP Lösungsarchitekt
- „DIE ERSTEN 5% DER BEAUFTRAGUNG GELTEN ALS KOSTENLOSE EINARBEITUNG„
- „Zum 01.09.2023 startet das Projekt ERP#Konversion_FILOG„
„SAGEN SIE UNS BITTE, ZU WELCHEM LEVEL WIR SIE ANBIETEN DÜRFEN„
Projektstelle 16 – SAP UC4 Administrator
- „ACHTUNG die ersten 5% der Beauftragung erwartet der Kunde als kostenlose Einarbeitung“ (Anmerkung: 5% von 1600h=80h)
- „1440 Stunden Remote- 160 Std Nürnberg“
Projektstelle 17 – Projektmanager im Bereich DMS
- „IT-AFM21“
- „Vorbereitung einer PDP für ‚Finanzen Online‘: Kunden der BA können heute schon ihre Leistungen im Online-Portal der BA beantragen„
- „Der Kunde erwartet, dass die ersten 5% der beauftragten Stunden als kostenlose Einarbeitung erbracht werden“ (Anmerkung: 5% von 700h=35h)
- „100 Std. Nürnberg, 600 Std. Remote“
Projektstelle 18 – Architekt Anwendungsarchitektur
- „eine kostenfreie Einarbeitung von ca. 10 Tagen werden abgerufen„
- „Must-Have: Behördenerfahrung, am besten bei der Bundesagentur für Arbeit„
- „Auslastung: 520 Std“ (Anmerkung: 65 Tage, davon 10 Tage kostenlos, sind ca. 15 %)
Projektstelle 19 – Scrum Master
- „Der Scrum Master wird benötigt, um einen reibungslosen Ablauf in den Teams sicherzustellen„
- „Koordination teaminterner Scrum-Aktivitäten„
- „eine kostenfreie Einarbeitung von ca. 10 Tagen werden abgerufen„
- „Must-Have: Behördenerfahrung, am besten bei der Bundesagentur für Arbeit„
Projektstelle 20 – Java Backend Entwickler
- „Agile Praktiken (z.B. Scrum, Kanban, Clean Code Development, Pair Programming)„
- „Kostenlose Einarbeitung für mehrere Tage„